Der erste Abschlussjahrgang

Für Renate Tanner ist es ein doppelter Abschluss. Zum ersten Mal kann die Leiterin der Förderschule an der Ems in diesem Jahr einen 10er-Jahrgang verabschieden. Und dann geht sie gleich selbst: Mit 64 Jahren hat sie vor dem Ruhestand ihre Schulmission erfüllt.
Von Günter Benning

Tanner und der stellvertretende Schulleiter Volker Knapheide stehen vor der Schule. Hier entsteht gerade ein Schulteich. Fünf Jungs helfen dem Teichbauer mit. Für normale Schulverhältnisse reden sie ziemlich laut. Plötzlich fliegt ein Stein, der Ton ist rau, die jugendlichen Bauhelfer protzen. Aus dem Fenster des Kindergartens nebenan schauen Krabbelkinder zu. Manchmal gibt es wegen der Lautstärke der Förderschule auch Beschwerden von den Nachbarn.

Die Schule hat es mit emotional schwierigen Schülern zu tun. Zu 80 Prozent, sagt Volker Knapheide, gebe es einen psychiatrischen Hintergrund. Was allerdings heute nicht ungewöhnlich ist, da schwierige Jugendliche schnell der Psychiatrie vorgestellt werden. Das Motto der Schule, so Knapheide: „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“ Das habe die Schule in den ersten Jahren auch gemacht. Die Bausteine des Trainings: Bedürfnisaufschub, Frustrationstoleranz und Selbstkontrolle. Renate Tanner: „Wir wollen die Schüler in ihrem Verhalten stärken.“ In diesem Jahr entlässt die Schule zum ersten Mal eine volle Klasse zehn.

Einige Schüler erhalten den normalen Hauptschulabschluss, einige einen Förderschulabschluss. Alle wissen bereits jetzt, was nach der Schule kommt. Ein Jugendlicher zum Beispiel wird eine Lackierer-Lehre machen können.

Die Schüler werden sehr langfristig an das Berufsleben herangeführt. Zur Ausbildung gehört ein Ganzjahrespraktikum, bei dem sie an einem Tag in der Woche im Betrieb sind. „Es war gar nicht so schwer, Betriebe zu finden“, freut sich Renate Tanner. Zu dem Langzeitpraktikum kommt noch ein dreiwöchiges Betriebspraktikum hinzu. Das Feedback von den Schülern sei dabei sehr gut, sagt Volker Knap­heide.

Die Schule an der Ems muss kontinuierlich Schüler aufnehmen. Immer dann, wenn sie an derer Schulen auffallen, dort aus dem Unterricht genommen werden. Das ist eine Herausforderung. Gerade bereitet man ein Projekt vor, bei dem wenig „schulfähige“ Schule langsam an Schule herangeführt werden. ZeiTraum heißt es – das muss man mal mit einem großen T in der Mitte stehen lassen.

In einem ehemaligen Schusterhaus mit Garten in der Nachbarschaft werden die Schüler handwerklich arbeiten und sozialpädagogisch betreut werden. Renate Tanner: „Wir haben ein tolles Potenzial bei unseren Schülern.“ Man muss es nur fördern.